Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem von uns selbst gewählten Auftrag, nämlich an der kommunalen Selbstverwaltung verantwortlich mitzuwirken. Für uns, für die FWG Lahn-Dill, lässt
sich das Ziel unseres Wirkens wie folgt zusammenfassen:
Wir stehen dafür ein, dass die Menschen unseres Kreises gesund, gut ausgebildet und sozial gesichert in einer attraktiven Region zufrieden leben können.
Während diese Aussage kaum Widerspruch erntet, wird es bei der Frage nach dem Wie bereits deutlich spannender. Thesenartig ist auch hierzu Folgendes klarzustellen:
Und damit sind wir unmittelbar bei dem Thema, das in diesen Tagen nicht nur uns an Lahn und Dill vor allem bewegt: Menschen, die als Flüchtlinge vor Krieg, Terror und Gewalt fliehen und bei uns Asyl begehren.
Es ist das Thema, die Herausforderung, der unsere Bundeskanzlerin mit der Bemerkung begegnet: Wir schaffen das. Bei allem Respekt vor Frau Merkels Mut: Als gelernter Anwalt und vorsichtiger Mensch, dessen Worte sich an den Ergebnissen messen lassen müssen, hätte ich eine solche Aussage nicht gemacht. Vor allem deshalb nicht, weil leichtfertige Zusagen zu Lasten Dritter, zu Lasten der Kommunen und ihrer Bürgerinnen und Bürger gar nicht gehen.
Gleichwohl: Auf der kommunalen Ebene müssen wir für unsere Bürgerinnen und Bürger und für die Asyl und Hilfe suchenden,
überwiegend zugewiesenen Menschen Lösungen finden. Die mit der Problemlösung verbundenen Aufgaben erfordern zugleich eine Standortbestimmung für die Freien Wähler.
Ich selber teile die Einschätzung unseres Bundespräsidenten Joachim Gauck, der zur Flüchtlingskrise gesagt hat: „Unsere Herzen sind weit, unsere Möglichkeiten begrenzt.“
Nicht nur unsere Herzen, auch das Meinungsspektrum der Freien Wähler ist weit. Sie wissen:
Alle Wähler, auch z. B. der Bundespräsident, sind Freie Wähler, manche wissen es nur noch nicht!
Klar ist für uns, mit radikalen Parteien und Ideologien am rechten und linken Rand unserer Gesellschaft haben wir nichts
gemeinsam. Wir sehen uns und stehen in der Mitte unserer Gesellschaft, allerdings ganz vorne, da wo die Menschen der Schuh drückt.
Deshalb befinden wir uns oft in Übereinstimmung mit anderen Freidenkern wie z. B. Tübingens Oberbürgermeister Palmer, der wegen seiner Kritik an der Flüchtlingspolitik Ärger mit seinen grünen
Parteifreunden hat. Viele von uns teilen aber auch die Sorgen und die Kritik, die es von sozial- und christdemokratischen und christlich-sozialen Bürgermeistern und Landräten gibt.
Dabei stehen wir naturgemäß den parteiunabhängigen Bürgermeistern besonders nahe.
Unsere Skepsis gegenüber der Bundes- und auch Landespolitik liegt in den unterschiedlichen Maßstäben begründet, mit denen wir konfrontiert werden. Einerseits wird von uns Kommunalen die strikte Einhaltung von Recht und Gesetz und auch von Haushalten gefordert. Andererseits werden notwendige Finanzmittel nicht oder nur unzureichend zur Verfügung gestellt. Und auf höchster, nämlich nationaler internationaler Ebene werden staats - und völkerrechtlich verbindliche Verträge folgenlos ignoriert, gebrochen oder umgangen. Von einer Europäischen Union, die den Friedensnobelpreis erhielt, dürfen wir insgesamt deutlich mehr Rechtstreue und eine Lastenverteilung erwarten, die unter wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten als einigermaßen angemessen bezeichnet werden kann. Mit EU-Kommission, EU- Parlament und dem Europäischen Gerichtshof gibt es genügend Gremien, die sich damit befassen können und sollten.
Es ist bemerkenswert, welch hohe Anerkennung in Krisenzeiten das Ehrenamt von der hohen Politik erfährt. Gerade dann wird
deutlich, wie sehr unsere Gesellschaft auf Freiwillige und Ehrenamtliche angewiesen ist, die ohne lange zu fragen, helfen und zupacken. Für uns Freie Wähler ist deshalb die
Anerkennung, Pflege und Unterstützung von Freiwilligen von zentraler Bedeutung. Im Lahn-Dill-Kreis dürfen wir uns über ein anerkannt überdurchschnittlich großes ehrenamtliches Engagement freuen. Dies
trägt in erheblichem Maße zur Steigerung von Lebensqualität und Attraktivität des Standortes Lahn-Dill bei.
Dieser Einsatz in Feuerwehren, Hilfs- und Rettungsdiensten, Vereinen innerhalb und außerhalb des Sports Selbsthilfegruppen und sonstigen freiwilligen, gemeinnützigen Initiativen ist ebenso
unverzichtbar wie unbezahlbar. Aber dieses außerordentliche, gemeinnützige Engagemant bedarf der kommunalen, der öffentlichen Förderung in unserer hochentwickelten Gesellschaft. Die Ausstattung
z. B. der Feuerwehren, die Sportförderung durch Überlassung der kreiseigenen Hallen und Hilfen bei Sportstätten sind für uns alle und insbesondere für Kinder und Jugendliche
unentbehrlich.
Und weil die Förderung ehrenamtlicher Arbeit so unverzichtbar ist, fordern wir die verfassungsrechtliche Finanzgarantie des Landes, die sich auch auf freiwillige Aufgaben der Gemeinden
und Kreise erstreckt, ohne Wenn und Aber ein. Wir tun dies, weil es dabei um den Kitt geht, der unsere Gesellschaft auch und gerade in Krisenzeiten
zusammenhält.
Die Integration von Flüchtlingen wird uns in den Kerngebieten kommunaler Aufgaben, der Kinderbetreuung, der Jugendsozialarbeit und der Schulen vor neue Herausforderungen stellen. Dies gilt insbesondere für die Kindergärten. Kindergärten entwickeln sich zunehmend zu frühkindlichen Bildungseinrichtungen. Unsere Gesellschaft erwartet zu Recht, dass
Kinder zu Beginn des ersten Schuljahres deutsch sprechen und verstehen können. Weil die frühkindliche,
personalintensive Erziehung in den Kitas die Finanzkraft der Kommunen und der Eltern zunehmend und bei weitem überfordert, fordern wir zumindest die Übernahme der Personalkosten – ähnlich wie bei den
Schulen - durch das Land und mittelfristig beitragsfreie Kitas.
Einige weitere Punkte will ich nur stichwortartig ansprechen:
Bei allem, was wir auf kommunaler Ebene tun, ist die offene Kommunikation als wichtige Voraussetzung der bürgerschaftlichen
Mitwirkung unverzichtbar. Wir selber, die wir uns als unabhängige, überparteiliche Interessenvertretung und Sprachrohr der Menschen verstehen brauchen deren Rückmeldung. Dazu gehört auch und vor
allem die Beteiligung bei Wahlen. Es war bezeichnend, dass bei den ersten freien Wahlen nach dem Krieg und auch in der ersten bzw. letzten Wahl nach dem Mauerfall in der ehemaligen DDR die
Beteiligungen außerordentlich hoch waren. Die derzeitigen Beteiligungen bei Kommunal-, Landtags-, Europa-, Bürgermeister- und Landrats-Wahlen sind dagegen beschämend.
Besonders negatives Beispiel war die OB-Wahl vor wenigen Tagen in Köln. Da tritt eine parteilose Sozialdezernentin, die sich in ihrem Job um Flüchtlinge kümmert, von verschiedenen Parteien
unterstützt zur Wahl an. Sie wird brutal attackiert, lebensgefährlich verletzt und die Wahlbeteiligung beträgt 40 %. Ich habe viel Verständnis für alle diejenigen, die sich mehr oder weniger
lautstark, aber friedlich versammeln, protestieren und ihre Meinung äußern. Es ist immer nur ein kleiner Teil unserer Bevölkerung, selbst wenn es sich um Tausende handelt.
Aber das Verständnis für die, die einfach nicht von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen, fällt mir schwer. Ist es diesen Menschen egal, was z.B. mit unseren Kindergärten, Schulen, Straßen,
Krankenhäusern geschieht? Ist die Zufriedenheit der sog. schweigenden Mehrheit so groß, dass bei den Gewählten der Eindruck entstehen muss, sie machten alles richtig? Oder ist es nur
Bequemlichkeit? Wissen diese Menschen nicht, was passiert, wenn sie kein Stimmrecht haben? Sind die Flüchtlinge nicht auch mahnende Hinweise auf Staaten, in denen Stimmrecht und Freie Wahlen
Fremdworte sind?
Darin sehe ich eine der ganz großen Herausforderungen, für uns alle- unabhängig von unserer politischen und farblichen Orientierung. Demokratie lebt über alle Parteigrenzen hinweg vom
Mitmachen. Deshalb möchte ich alle Bereitwilligen ermuntern sich zu engagieren, zu kandidieren und sich einzumischen und auch den Mut zu haben sich zu irren und mal Fehler zu
machen.
Deshalb werben wir Freien Wähler besonders heftig für hohe Beteiligungen bei freien Wahlen.
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